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Titelseite, Titelblatt bzw. Cover der deutschen Modezeitschrift Modenschau (Untertitel: Illustrierte Monats-Zeitschrift für Heim und Gesellschaft) Nr. 149 vom Mai 1925.
Beschreibung des kolorierten Umschlagbildes.
J 9134: Dirndlkleid aus glattem und gestreiftem Popelin. Der Stoff des Rockes bildet die Blendenumrandung an der Taille. Schnittgröße 44. (Gr. Schnitt.)
J 9135: Dirndlkleid für Mädchen von 6—8 und 8—10 Jahren. Es besteht aus Waschstoff. Die glatte Taille liegt dem karierten Rock auf. Samtband an den Rändern. Weiße Batistschürze. (Kl. Schnitt.)
J 9136: Dirndlkleid aus kariertem Kattun mit schwarzem Samtband besetzt. Weiße Batistschürze. Schnittgröße 44. (Gr. Schnitt.)
Preis pro Heft: 60 Pfg., zuzüglich Besorgungsgebühr.
Verlag GUSTAV LYON, Berlin SO 16 — Auslieferung für den Buchhandel in Deutschland WILHELM OPETZ, Leipzig.
Titelillustration/Titelzeichnung: unbekannt/unsigniert.
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Artikel:
O. V., Modernes in der Vergangenheit.
[O. V., Modernes in der Vergangenheit.]
Wir Menschen von heute lieben es, über die Menschen vor hundert oder gar tausend Jahren wegen ihrer technisch unvollkommenen Lebensführung mitleidig zu lächeln. Da ist es recht unterhaltsam, einmal Erscheinungen des heutigen Lebens aneinanderzureihen, die schon vor Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden vorhanden waren.
Litfas-Säulen [bzw. Litfaßsäule, Anm. M. K.] für Vergnügungsanzeigen gab es schon im alten Herkulanum. Auch für Reklamezwecke fanden diese Säulen Verwendung. Und womit wurden diese Plakate aufgeklebt? Mit demselben Gummiarabicum, das wir heute noch benutzen!
Auch Schienen kannte das Altertum bereits. Man stellte sie her, indem man in Breite der gebräuchlichsten Räderspur Einschnitte in den steinigen Boden schaufelte. Derartige Gleise existierten vor den Thoren Athens und wurden von den alten Römern angelegt, zahlreich in Frankreich festgestellt.
1300 v. Chr. besaßen die alten Aegypter schon den Blitzarbeiter [Blitzableiter]. Ihre Stadttore trugen auf hohen Masten vergoldete Spitzen, und Livius (zu Beginn unserer Zeitrechnung) berichtet, daß griechische und römische Priester schon die Kunst beherrschten, Blitze vom Himmel herabzuholen. Sie hatten beobachtet, daß gewisse Metalle die Eigenschaft besitzen, die Blitze an sich zu ziehen, und schon damals ist mancher, der sich mit diesem gefährlichen Fangspiel befaßte, wie später Franklin, vom Blitze erschlagen worden. Ueber die Verbindung der vergoldeten Blitzfänger mit dem Erdreich berichten Livius und seine Kollegen nicht, so daß wir annehmen müssen, daß diese wohl wichtigsten Bestandteile des Blitzableiters damals noch nicht erfunden waren.
Der Beruf der Quellensucher ist auch nicht neu. Im Altertum gab es schon zunftmäßige Verbände dieses Berufstandes. Sie lieferten u. a. Verbandsgenossen an die Heere, um im Falle des Bedarfes sofort durch Bohrungen Trinkwasser zu beschaffen. So haben römische Quellensucher in der nordafrikanischen Wüste durch Bohrungen an über 200 Stellen großen Erfolg gehabt und erst so dem Heere die Möglichkeit geschaffen, die jeweils geplanten Feldzüge durchzuführen. Ob diese Quellensucher schon mit der Wünschelrute arbeiteten, wird nicht gesagt.
Werbung:
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Stirnrunzelglätter, D. R. P. beseitigt Stirnrunzeln… M. 4.—.
(Muttermal.) „Eta-Tropfen“ beseitigen in 8 Tagen alle Tätowierungen, Muttermale, Leberflecke und Warzen gänzlich. Kein Mittel kommt den „Eta-Tropfen“ an Wirkung gleich… Preis M. 3.50.
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(Nasenformer-Nasenröte.) „Eta-Nasenbad“ läßt die Nasenröte vollständig verschwinden. Gleichviel ob durch Kälte, erweiterte Poren oder Blutandrag. „Eta-Nasenbad“ wirkt auf die Blutzellen zusammenziehend… Preis mit allem Zubehör M. 5.—.
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(Mittesser.) „Eta-Mitesserentferner“ (D. R. G. M.), womit kinderleicht Mitesser, Pickel und fettglänzende Haut sofort beseitigt werden. Preis mit Zubehör… M. 2.50.
Lippenformer… M. 3.—.
(Rote Hände.) Präparierte „Eta-Handhüllen“ mit d. Sauerstoffbleichprozeß. Die Hände werden hierdurch zart und auffallend weiß. Preis 1 Paar M. 4.—.
Fingerspitzenformer… 5 Stück M. 5.—.
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„Eta-Artikel“ sind patentamtlich geschützt gemäß Gesetz vom 12. Mai 1894. Von zahlreichen Ärzten und Chemikern ausprobiert und glänzend begutachtet. Täglich eingehende Dankschreiben, selbst aus den entferntesten Ländern der Erde.
Versand unauffällig per Nachnahme oder gegen Voreinsendung auf Postscheckkonto Berlin 43634. Porto 40 Pf. extra.
Bei Bestellung von drei verschied. Artikeln oder mehr porto- u. spesenfrei.
„Eta-Chemische Fabrik“ G. m. b. H., Berlin W 264, Potsdamer Straße 32. Zeichnung/Illustration: unbekannt/unsigniert.
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Titelseite der deutschen Illustrierten Frauen- und Modezeitschrift Modenschau (Untertitel: Zeitschrift für Heim und Gesellschaft) Nr. 149 vom Mai 1925.
Verlag Gustav Lyon Berlin SO 16. Gegr. 1865.
Erscheint monatlich. 60 Pfg.
Heft 149. Jahrgang 1925.
Artikel:
Jung, Hans, Der Bräutigam auf Probe. Humoreske (von Hans Jung, unbekannter Autor). Illustriert von Siggel.
Im Zentrum der Geschichte befindet sich eine Zeichnung, die einen mittelalten bis älteren Herren zeigt, der auf einem niedrigen Sessel sitzt. Im Hintergrund zeichnet sich ein gusseiserner Ofen ab. Die Bildunterschrift lautet „und es gab keine Aussicht mehr…“. Zeichnung/Illustration: „Siggel“ (unbekannter Künstler).
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S. 2 |
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Artikel:
Jung, Hans, Der Bräutigam auf Probe. Humoreske (von Hans Jung, unbekannter Autor). Illustriert von Siggel.
Im Zentrum der Erzählung befindet sich eine Zeichnung, die eine Frau und einen jüngeren Mann an einem Ruder auf dem Deck eines Segelboots auf offener See zeigt. Im Hintergrund befinden sich zwei weitere Segelboote. Die Bildunterschrift lautet „Welch eine himmlische Reise durch das blaue Meer!“. Zeichnung/Illustration: „Siggel“ (unbekannter Künstler).
Modenschau, Heft 149.
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S. 3 |
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Artikel:
Ulitzsch, Ernst, Moderne Frauenschönheit (von Ernst Ulitzsch, Lebensdaten unbekannt).
Die großformatige Fotografie oben zeigt eine moderne Frauenschönheit. Die Bildunterschrift lautet „Die schwedische Schauspielerin Grete [sic!] Garbo“ (schwedisch-US-amerikanische Filmschauspielerin Greta Garbo, 1905-1990).
Foto: Binder, Berlin (Fotoatelier Alexander Binder, Berlin, 1888-1929).
[Ulitzsch, Ernst, Moderne Frauenschönheit.]
Der Mann, der den Frauen erzählte, daß Schönheit eine Tugend sei, hat sie zu tiefst verstanden, denn Schönsein oder Schönsein wollen gehört nun einmal zu jenen Wünschen, die im grauen Altertum nicht anders gewesen sind als in unseren ja auch recht grauen Tagen. Wir hören gerne den Erzählungen zu, die von schönen Frauen der Vergangenheit zu berichten wissen; aber seit langer Zeit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß jene Schönheit, die eine genußfrohe Menschheit in den Museen bestaunen kann, ihre Vorzüge doch recht oft den galanten Malern verdankt. Denn der Mann stellt eine Frau stets so dar, wie sie seinen Wünschen erscheint. Den vielen tausend Frauenakten, die die Kunstgeschichte kennt, stehen nur ganz wenig Männerakte gegenüber, und diese sind zudem fast immer Bildhauerarbeit, also ein Erbe der Antike. Überall wollte der Mann die schöne Frau — und deshalb wollte jede Frau schön sein, wenn nicht anders, so eben im Bilde.
Seitdem die Photographie die Porträtmalerei zurückgedrängt und auf die Kreise der Allerreichsten beschränkt hat, war Schmeichelei scheinbar unmöglich, denn die Photographie, hieß es, sage die Wahrheit. In den Anfangszeiten gewiß; aber seitdem die photographische Technik genauer erkannt wurde, stimmt diese Auffassung nicht mehr. Bei einem modernen Photographen werden die Frauen schöner als vor einem Menschenalter, weil man nicht nur erfahren hat, daß die Schwarzplatte auch nicht die Wahrheit spricht, daß sie verzeichnet, sondern weil man entdeckte, wie sich die Fehler korrigieren ließen. Den größten… [Fortsetzung auf nächster Seite 4].
Heft 149, Modenschau.
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S. 4 |
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Artikel:
Ulitzsch, Ernst, Moderne Frauenschönheit (von Ernst Ulitzsch, Lebensdaten unbekannt).
Die großformatige Fotografie oben zeigt eine moderne Frauenschönheit. Die Bildunterschrift lautet „Gräfin Agnes Esterhazy“ (österreichische Schauspielerin Agnes Esterházy, 1891-1956).
Foto: Binder, Berlin (Fotoatelier Alexander Binder, Berlin, 1888-1929).
[Ulitzsch, Ernst, Moderne Frauenschönheit.]
[Fortsetzung von vorheriger Seite 3] … Umschwung brachte hier die Kinematographie, die eine neue Wissenschaft vom Schönsein schuf.
Der Film hat den Wunsch aller Welt, schön zu sein, verstärkt. Er beruht auf der Wirkung, Schönheit auszulösen — vor allen Dingen Frauenschönheit.
Der Schelm Casanova, der es ja eigentlich wissen müßte, hat einmal die Frage nach der Schönheit so beantwortet: Schöne Kleider tragen, heißt schön sein. Er lebte freilich im Rokoko und kannte allein eine sehr reizvolle Mode, die aber dem menschlichen Körper eine nebensächliche Rolle zuwies. In erster Linie kam damals das Kostüm und die Kunst des Friseurs in Betracht, deshalb sind auf allen Rokokobildern die Gewänder mit Liebe und Kunstverständnis so reizend wie möglich gemacht. Wer für hübsch gelten will, muß in erster Linie ein hübsches Gesicht haben. Andere kleine Körperfehler lassen sich verbergen, Unregelmäßigkeiten des Gesichtes nie. Diese Erfahrung verdanken wir der Kinematographie. Denn wenn auf der Leinewand ein Antlitz riesengroß erscheint, so ist keine Täuschung möglich — oder vielleicht doch? Gewiß, auch hier!
Wir sind gewiß alle der reizenden Mary Pickford begegnet, deren Anblick immer wieder das Herz froh gemacht und die, ohne Schauspielerin zu sein, doch in jeder Rolle den Beifall der Zuschauer in aller Welt findet. Ihr Vorzug ist die kindliche Reinheit ihrer Züge; mädchenhafte Schlankheit der Glieder gesellt sich einem Mienenspiel bei, das ein gewiß hübsches Gesicht begehrenswert macht. Und wer, dem es vergönnt war, die gefeierte Frau in der Nähe zu sehen, ist nicht sehr enttäuscht gewesen? Denn Mary erschien als eine winzige Frau, Mitte dreißig, mit dicken Backen, die garnicht zu dem dürftigen Körper passen wollten; sogar ein leichter Flaum auf der Oberlippe war nicht zu übersehen. Jedenfalls erschien sie vollkommen anders als auf der Leinwand; und die hübschen Besucherinnen der Kinos, die noch am Abend ob der Berühmtheit dieser kleinen Frau geseufzt hatten; wären empört gewesen, hätte man es ihnen nahegelegt, mit der wahren Gestalt der Mary Pickford zu tauschen. Also auch der Film, »lügt« in dem Sinne, wie alle Dinge dieser Welt lügen. Auf der anderen Seite erscheinen wirklich schöne Menschen im Film nicht selten… [Fortsetzung auf nächster Seite 5].
Modenschau, No. 149.
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S. 5 |
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Artikel:
Ulitzsch, Ernst, Moderne Frauenschönheit (von Ernst Ulitzsch, Lebensdaten unbekannt).
Die großformatige Fotografie oben zeigt eine moderne Frauenschönheit. Die Bildunterschrift lautet „Lilian Hawey [sic!]“ (britisch-deutsche Filmschauspielerin Lilian Harvey, 1906-1968).
Foto: Binder, Berlin (Fotoatelier Alexander Binder, Berlin, 1888-1929).
[Ulitzsch, Ernst, Moderne Frauenschönheit.]
[Fortsetzung von vorheriger Seite 4] … unbedeutend, wie auch Photographen vor schönen Gesichtern oft Angst haben, weil sie sich nicht gut photographieren. Eben aus dem Grunde, weil natürliche und photographische Schönheit zwei verschiedene Dinge sind, die zwar oft zusammenfallen, sich aber noch häufiger nicht vereinen lassen.
Die natürliche Schönheit ist abhängig von der Belebtheit, der Beseelung des Gesichtes. Deshalb finden wir Gesichter, die zwar vollkommen regelmäßig gebaut und deren einzelne Partien vollkommen aufeinander abgestimmt sind, die aber keinerlei Bewegung verraten, sondern in Starrheit verharren, in den seltensten Fällen schön. Es geht von diesen Gesichtern eine Kälte aus, die sich der Umgebung mitteilt und abstoßend wirkt. Die allgemeine Ansicht, daß Personen mit derartigen Gesichtszügen grausaum [sic!] seien, ist überholt und entstammt dem Requisitenschatze der Romantiker. Wir sind heute des Glaubens, daß solche Personen beschränkt sind, und scheinen richtiger als unsere Vorfahren zu sehen, die gern den Alltag mit Geschehnissen ausputzten. Wir lieben ja auch nicht mehr jene blaßwangigen Menschen, von denen in den Romanen vor 100 Jahren soviel die Rede war, in denen die bleiche Gesichtsfarbe als Zeichen besonders edler Abstammung galt, eine Unsitte, die Wilhelm Hauff in dem Signor Bleichwangioso seines «Mannes im Monde» nicht übel verspottet hat. Schönsein heißt heute Gesundsein, heißt die natürlichen Farben im Gesicht tragen. Aber hiervon wollen Photographie und Film nichts wissen. Beide sind äußerst empfindlich gegen Farbunterschiede und zeigen, bei entsprechender Vergrößerung, Fehler, an denen das Auge ahnungslos vorübersah. Alle Filmschauspieler sind geschminkt — und zwar wird das Gesicht in der Regel mit einer gleichmäßig verteilten gelben Schminke bedeckt, die einen wunderbar weißen Teint, einen Filmteint, verleiht. Film und photographische Platte deuten die Farben um, deshalb erscheinen Chinesen und Japaner, die nach unserem Glauben im Film dunkel erscheinen müssen, hellweiß. Überdies: nur die weiße Rasse muß sich für den Film schminken! Seitdem man die Vorzüge der Schminke für die photographische Aufnahme erkannte, lassen sich Damen der Gesellschaft nicht selten sachgemäß schminken, ehe sie ihr Gesicht… [Fortsetzung auf nächster Seite 6].
No. 149, Modenschau.
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S. 6 |
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Artikel:
Ulitzsch, Ernst, Moderne Frauenschönheit (von Ernst Ulitzsch, Lebensdaten unbekannt).
Die großformatige Fotografie oben zeigt eine moderne Frauenschönheit. Die Bildunterschrift lautet „Mia May“ (österreichische Stummfilmschauspielerin Mia May, 1884-1980).
Foto: Binder, Berlin (Fotoatelier Alexander Binder, Berlin, 1888-1929).
[Ulitzsch, Ernst, Moderne Frauenschönheit.]
[Fortsetzung von vorheriger Seite 5] … dem mitleidslosen Objektiv des photographischen Apparates anvertrauen.
Die Schminke allein macht aber nicht die Filmschönheit. Dazu ist vor allen Dingen strengste Regelmäßigkeit der Gesichtszüge erforderlich. Im Leben kann ein Gesicht schön sein, das einen kleinen Fehler besitzt; ja, es kommt nicht selten vor, daß eben dieser kleine Fehler den Reiz des Gesichtes stärker betont. Nun lassen sich zwar auch im Film allerlei Fehler korrigieren, aber Unregelmäßigkeiten schließen gewöhnlich von einer erfolgreichen Filmkarriere aus. Eine sehr beliebte deutsche Filmschauspielerin trägt am Kinn eine Narbe, die im Leben ebenso stört wie die Stirnnarbe eines Filmbonvivants oder die Warze auf der Wange, mit der eine Dritte leider verunziert ist. Diese drei, um nur kurze Beispiele zu geben, schminken diese Fehler einfach weg. Die gelbe Schminke läßt das Atelierlicht auf einer schattenlosen Fläche widerspiegeln, und im Film erscheint ein fehlerloses Gesicht. Die breite Gesichtsfläche ist vorteilhaft für eine gute Photographie, deshalb erscheinen Slavinnen, wie Elisabeth Pinajeff, Natalie Kowanko und namentlich Pola Negri, so vorteilhaft im Film. Deshalb geht auch von den Wangen der Mary Pickford, die im Tageslicht nicht jedermanns Geschmack sind, ein unbeschreiblicher Reiz aus, sobald Schminke und Quecksilberlicht eine schattenlose Fläche daraus machen.
Bei den großen Namen des Films, Mia May, Marcella Albani, der Gräfin Agnes Esterhazy, der eben im Aufstieg begriffenen Lilian Harvay [sic!], versteht sich eine vollendete Schönheit, die in diesen Fällen sogar nicht nur eine Film-, sondern wenn das Wort erlaubt ist, auch eine Tageslichtschönheit bedeutet, von selbst. Aber wie wenige Menschen wissen, was überhaupt Schönheit bedeutet und wie selten man ihr begegnet. Außer den Filmleuten, von denen merkwürdigerweise noch keiner eine Schönheit entdeckte, wissen dies die Leiter der großen Revuebühnen. Und von ihren Brettern sind, wie einst vom Ballett, die großen Schönheiten in Kunst und Leben gehüpft. Auch in Europa ist über die Fachkreise hinaus jetzt der Ruf der Ziegfeld-Folies verbreitet, als der Wiege der amerikanischen Frauenschönheit. Der Wiener Ziegfeld muß in jedem Jahr seine Frauenarmee neu aufstellen, denn die schönen Mädchen werden ihm, trotz hoher Konventionalstrafen und langer Kontrakte, einfach weggeheiratet. Die schönsten amerikanischen Filmsterne waren einstmals Ziegfeld-Girls — und die deutsche Filmindustrie hofft, daß Hermann Haller, der Berliner Revue-Direktor, sich als deutscher Ziegfeld erweisen werde.
Film ist heute, wie ehedem das Theater, die große Sehnsucht der Welt. Aber vielleicht sehen die Frauen, die sich heute nach dem Ruhm der Leinwand verzehren — und das sind beinahe alle —, einmal ein, daß es wieder gilt, die natürliche Schönheit zu pflegen. Denn die künstlerische Schönheit, die ihr Dasein der Photographie verdankt, ist stets nur als Steigerung des eigentlichen Lebens zu denken. Geschminkte Gesichter passen schlecht in eine Zeit, die dem Sport huldigt und als oberstes Gesetz die Gesundheit anerkennt.
Modenschau, Heft 149.
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Artikel:
Heltai, Eugen, Die Hosen des Herrn Marquis (von Eugen Heltai, 1871-1957) (Aus dem Ungarischen von Eugen Szatmari [Jenő Szatmári, 1892-1953]).
Heft 149, Modenschau.
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S. 8 |
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Artikel:
Heltai, Eugen, Die Hosen des Herrn Marquis (von Eugen Heltai, 1871-1957) (Aus dem Ungarischen von Eugen Szatmari [Jenő Szatmári, 1892-1953]);
o. V., Kuriositäten-Spiegel.
Die Illustration oben zeigt zwei elegante Herren an einem gedeckten Kaffeetisch in einem Café sitzend. Der Mann links ist im jüngeren bis mittleren Alter. Der Herr neben ihm im mittleren bis leicht gehobenen Alter. Neben den beiden Herren steht höchstwahrscheinlich der Kellner. Im Hintergrund der Szenerie ist das Schaufenster, im Vordergrund rechts ein freier Sessel. Die Bildunterschrift lautet „Wo ist der Cafetier? — Er soll sofort kommen!“
Zeichnung/Illustration: „Siggel“ (unbekannte Künstlersignatur).
[O. V., Kuriositäten-Spiegel.]
Für die Richtigkeit des bekannten Ausspruches Ben Akihas, daß alles schon einmal dagewesen sei, gehen wir nachstehend einige interessante Belege:
Der 400 Jahre vor Christi lebende berühmte, griechische Arzt Hippokrates kannte bereits die Behandlung durch Massage.
2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung war die Operation des Stars nicht unbekannt. Ein 4000 Jahre alter Papyrus berichtet darüber.
Schnurrbartbinden wurden schon um 1600 getragen. Cervantes schreibt in seinem «Don Quichote»: «Er richtete sich im Bette auf, eine Mütze auf dem Kopf und den Knebelbart in einer Binde, damit er nicht lang herniederhinge.»
In Kreta wurde das Figürchen einer Schlangengöttin ausgegraben, das 2 Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung modelliert worden ist. Es zeigte geschnürte Taille und Decolleté.
Zur Zeit der römischen Kaiser benutzte man in Gallien schon Glasfenster und in Rom und Alexandrien ganz allgemein die Wasserleitung.
Daß man schon im Altertum das Scheck- und Girowesen kannte, darüber berichtet Cicero.
Ein Zeitgenosse Ciceros bezog als Schauspieler ein jährliches Honorar von fast 90000 Mark. Wir können also nicht einmal das gegenwärtig so heiß umstrittene System der Riesengagen als eine Errungenschaft der Neuzeit reklamieren.
Modenschau, Heft 149.
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