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Artikel:
Bälz, Gertrud, Soll die Frau aus dem Erwerbsleben ausscheiden? (von Gertrud Bälz, Autor und Lebensdaten unbekannt);
Torenburg, Gerda, Wie lerne ich richtig sprechen und vortragen? Von Gerda Torenburg (Lebensdaten unbekannt).
[Bälz, Gertrud, Soll die Frau aus dem Erwerbsleben ausscheiden?]
Notzeiten pflegen mitunter seltsame Blüten zu treiben. Zu diesen gehört auch der Vorschlag, die Arbeitslosigkeit durch Ausscheiden der Frauen aus dem Erwerbsleben zu beheben. Vielleicht hat diese Ansicht zuerst etwas Bestechendes, wenn man sieht, daß manche Frau jetzt den Lebensunterhalt für die Familie beschafft, während der Mann zu Hause sitzt und die Kinder hütet. Unter den sechs Millionen Arbeitslosen befinden sich nur ein Fünftel Frauen, und die jungen weiblichen Kräfte pflegen meist nicht lange die Einrichtungen für Erwerbslose in Anspruch zu nehmen, weil sie bald wieder eine Stellung erhalten.
Betrachten wir jedoch die Berufe näher, in denen die Frauen tätig sind, so gewinnt die Sache ein anderes Gesicht. Weitaus die größte Zahl ist in dem Beruf der Bäuerinnen vertreten, die im Gegensatz zu den Hausfrauen von der Statistik als berufstätig angeführt wurden, dazu die Schar ihrer Töchter und sonstige weibliche Hilfskräfte. Es ist eine alte Erfahrung, daß, wo ein Betrieb mit eigenen Leuten gemeistert werden kann, dieser am besten gedeiht. Ähnlich ist die Lage bei vielen Gewerbetreibenden, wo die Ehefrau für die Aufsicht und Buchführung, den Verkauf im Laden einfach unentbehrlich ist.
Können wir Frauen uns das ganze Bekleidungsgewerbe denken ohne die Schneiderin, Putzmacherin, Stickerin, die zu den ältesten von Frauen betriebenen Gewerben gehören? Die Entwicklung des Handels, der Verkehrsanstalten mit ihren modernen Hilfsmitteln haben viele Frauen in ihren Bannkreis, also ins Erwerbsleben gezogen, wo sie sowohl als Angestellte als auch als Beamtinnen ihre besonders zugewiesenen Arbeitsfelder haben, in denen sie nicht ohne weiteres von Männern ersetzt werden können.
Dazu kommt das weite Gebiet des Erziehungswesens, an dem die Frauen von jeher wesentlichen Anteil genommen und für die Heranbildung der Mädchen, ihre weitere Berufsausbildung, bahnbrechend gewirkt haben. Es ist ausgeschlossen, daß Männer allein den heranwachsenden Mädchen dasselbe sein können wie die wesensverwandte Frau. — Unsere ganze soziale Arbeit, die ein Kind der legten Jahrzehnte ist, ist einfach undenkbar ohne die Frau, die sich in den Aufbau unserer Gesellschaftsordnung und ihre Schäden vertieft hat und beruflich an ihrer Besserung arbeitet. — Seit ein Teil der handwerklichen Betriebe durch die Entwicklung der Technik in Fabriken abwanderte, haben die Frauen ihren Einzug in die Industrie gehalten. Selbstverständlich blieben sie von der Schwerindustrie überall, wo die Arbeit vornehmlich starke Körperkraft verlangt, ausgeschlossen, dagegen machen sie einen hohen Prozentsatz im Textil-, Papier-, Zigarrengewerbe usw. aus, weil sie vermöge ihrer besonderen Handgeschicklichkeit sich für diese Arbeiten eignen, vor allem auch an der leichteren Maschine. So hat die Spezialisierung auf dem Arbeitsmarkt dem Mann wie der Frau ihre ihnen liegenden Gebiete zugewiesen, die sie einfach nicht tauschen können.
Und nun noch ein Wort zu den freien Berufen, die sich auf bestimmte Begabungen und Leistungen aufbauen, die Wissenschaftlerin, die Ärztin, die Künstlerin. Diese Frauen stehen im Dienste einer höheren Idee oder der Menschheit, und es darf ihnen nicht verwehrt sein, das, was sie aus sich selbst geschöpft haben und zu einem wertvollen Lebensinhalt gestalten, weiter zu geben.
Läge nicht eine Verkennung der Sachlage darin, diese Fähigkeiten der Frauen künftighin brach liegen zu lassen, und die jungen Mädchen wieder in das Dasein der „höheren Tochter“ des 19. Jahrhunderts zurückzuweisen? Voraussetzung für eine solche Lebensauffassung waren Besitz und Vermögen, die auch den unverheirateten Frauen später ein gesichertes Leben gewährleisteten. Heute ist lediglich das Einkommen maßgebend; sterben die Eltern, so stehen die Töchter, die keine Berufsausbildung genossen, und sich daher nicht beruflich betätigen können, vor dem Nichts und fallen unter Umständen der öffentlichen Fürsorge zur Last. Wir dürfen es den Unverheirateten, deren es bei dem großen Überschuß von Frauen immer geben wird, nicht verwehren, sich nach Arbeit umzusehen, um den Lebensunterhalt zu verdienen und sich als nützliches Glied in der Volksgemeinschaft zu fühlen.
Wie häufig kommt es vor, daß die ledige Tochter ihre mittellosen Eltern durchbringen, die Witwe, die geschiedene Frau ihre Kinder aufziehen muß. Das wäre ohne Berufsmöglichkeiten nicht denkbar. Während der Haushalt früher, als eine Erzeugungsgemeinschaft bestand, in der die Frauen gesponnen, gewoben, genäht, die Töpfereien gemacht haben, die Vorräte selbst bereiteten, haben ihnen allmählich Technik und Fabrikation viel Arbeit aus der Hand genommen. Es besteht gar nicht mehr die Möglichkeit, alle heranwachsenden Töchter nur im Haushalt nutzbringend zu beschäftigen. Vielmehr hat sich die Familie zu einer Erwerbsgemeinschaft herausgebildet, in der die Kinder mitverdienen.
Ziehen wir die Folgerung aus dem hier Aufgezeigten, so kann sie nur lauten, daß ein Ausscheiden der Frau aus dem Erwerbsleben durch unsere wirtschaftliche Entwicklung einfach unmöglich geworden ist. Da, wo es um besondere Leistungen geht, soll nicht das Geschlecht, sondern die Befähigung entscheiden; das ist ein ganz selbstverständlicher, wirtschaftlicher Grundsatz, der für uns Frauen den Wettbewerb ermöglicht. — Der Hebel zur Linderung der Arbeitslosigkeit muß anderswo eingesetzt werden, durch eine Änderung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse unter den Auspizien eines Weltwirtschaftsübereinkommens und einer Abwandlung unserer Wirtschaftsstruktur. Deutschland, das am meisten unter der Weltkrise leidet, ist in erster Linie berufen, hierin bahnbrechend zu wirken. Gertrud Bälz.
[Torenburg, Gerda, Wie lerne ich richtig sprechen und vortragen?]
Wer spricht und dabei wünscht, daß ihm gern zugehört wird, der muß unter allen Umständen verstehen, das gesprochene Wort lebendig zu gestalten. Ganz gleich, ob er in einer politischen Versammlung redet, ob er einen Vortrag über Probleme künstlerischer oder wissenschaftlicher Art hält, ob er erläuternde Worte zu einem Kulturfilm sagt, ob er im Hörsaal doziert oder vom Katheder herab versucht, einem Publikum von Kindern etwas begreiflich zu machen. Es ist wichtig, daß der Zuhörer von vorneherein gefesselt wird und nicht erst in die Lage kommt, sich zu langweilen. Es ist wichtig, daß der Sprecher sich vom Manuskript löst, weil er sonst Gefahr läuft, in ein mechanisches Ablesen hineinzugleiten. Manche Redner kommen jedoch in ihrer Vorstellung nie vom Manuskript los, selbst wenn sie den Vortrag soweit beherrschen, daß sie frei sprechen; und dann wirkt das Gesprochene fast immer unlebendig.
In Haltung und Gebärde sei der Vortragende ganz locker und ungezwungen; jede Verkrampftheit wirkt peinlich. Natürlich müssen Geste und Ausdruck mit dem Sinn des gesprochenen Wortes konform gehen. Bei dem temperamentvollen Sprecher werden Mimik und Spiel der Hände immer das Wort unterstützen, jedoch darf das nicht in Agitationsrednertum ausarten. Vor allem kommt es immer wieder darauf an, durch Klarheit und suggestive Wirkung zu überzeugen. Man muß die Persönlichkeit des Sprechenden fühlen, der es verstehen muß, sich in Thema, Ausführung und Ausdrucksweise dem geistigen Niveau seines Hörerkreises anzupassen. Eine Meinung soll nie aufgedrängt werden. Eine feine Diskretion macht den Redner immer sympathisch.
Von außerordentlicher und oft unterschätzter Wichtigkeit ist die technische Seite des Vortrags. Redner, deren Stimmen unangenehm schrill oder heiser klingen, wirken nicht erfreulich. Und schwache Organe, die so wenig tragfähig sind, daß jenseits der dritten Reihe nichts mehr verstanden wird, sind eine Qual für die Zuhörer. Wer berufsmäßig öfter in größeren Räumen mit mäßiger Akustik sprechen muß, der sollte stimmtechnisch arbeiten. Jede Stimme kann so trainiert werden, daß sie soviel Kopfresonnanz [sic!] gewinnt, um auch in geflüsterten Worten weithin verständlich zu sein. Ebenso sollte auf die Technik der richtigen Aussprache geachtet werden. Ein falsch und aufdringlich gerolltes rrrr kann unfreiwillig komisch wirken, und verschluckte Endsilben tragen nicht gerade zum Verständlichmachen bei. Auch Dialektanklänge können unerträglich sein. Es kommt ebenfalls darauf an, richtig zu atmen — so — daß nicht der Atem mitten im Satz ausgeht, und der Sprecher an einer ganz unmotivierten Stelle plötzlich hastig einatmen muß. Sinngemäße Atmung stellt eine große Erleichterung dar und gibt ein freieres Gefühl. Kurz — wer will, daß man ihm gern zuhört, der sollte sich die Kunst eines gepflegten Vortrags anzueignen suchen, die in der Beherrschung der Sprech- und Stimmtechnik liegt, in einem wohlklingenden Organ, einer angenehmen und überzeugenden Art des Vortrags. Und nicht zuletzt sollte nur der vor einem anspruchsvolleren Auditorium sprechen, der wirklich etwas zu sagen hat. — Ein Sondergebiet ist heute die Kunst des Rundfunksprechens. Klar und suggestiv zu sein, ist auch hier die Forderung, wo alle Unterstützungsmittel wie Gebärde und persönliche Erscheinung in Fortfall kommen, und alle Wirkung nur auf das Wort gestellt ist. Es heißt hier vor allen Dingen, einfach sprechen, nicht eine Rede halten, mit großem Stimmaufwand! Nicht die Vorstellung haben, in einem Riesensaal zu einer vielköpfigen Menge zu reden, sondern ins Mikrophon sprechen, als ob man einem Menschen etwas ins Ohr sagen wollte! Eindringlich und persönlich, so daß ein Kontakt zwischen dem Sprecher und dem unsichtbaren Hörerkreis hergestellt wird.
Wenn auch zugegeben werden muß, daß eine gewisse natürliche Begabung die Voraussetzung zu jeder Art von Vortrag und freier Rede ist, so läßt sich doch andererseits nicht verkennen, daß auf diesem Gebiet vieles systematisch zu erarbeiten ist.
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