Mode 1930

Jackenkleid aus buntgemustertem Crêpe de Chine und heller Bluse. Mit Glockenbahnen erweiterter Rock und Jacke mit zipfeligen Ärmelansätzen. Foto: Joel Feder Modenschau Heft Nr. 211, Juli 1930, S. 4
Kleider in der neuen Linie mit höheren Taillen und längeren Rocksäumen Hamilton Garment Co. Frühjahr/Sommer 1930, S. 9
Sommerkleider mit glockig weiten, langen Röcken aus bunt gemusterter Travisé-Kunstseide — Modenschau, Nr. 210 (17), Juni 1930
Auch die Mäntel werden der neuen Rocklänge angepasst. Ein Modell mit Cape Hamilton Garment Co. Frühjahr/Sommer 1930, S. 28
Moderne schwere Ulstermäntel. Zeichnung: Harald Schwerdtfeger Hänsel-Echo Heft Nr. 8, 0 1930, S. 13
Pumps und Schnallenschuhe mit hohen Absätzen in leuchtenden Farben Hamilton Garment Co. Frühjahr/Sommer 1930, S. 64
Bunt gemusterte, farbechte Stoffe für Sommerkleider wie Baumwoll-Pongee, Pikee, Voile, Batist, Leinen oder Gingham Chicago Mail Order Co. Frühjahr/Sommer 1930, S. 236
Nachmittags-Ensembles und ein Bolerokleid aus unifarbenem oder bunt bedrucktem Georgette Krepp, Georgette oder Marocain Krepp Smart Heft Nr. 32, 0 1930, S. 10
Modische Schuhe für junge Männer aus ein- und zweifarbigem Kalbsleder mit Perforationen und Ziernähten — M. W. Savage Co., Frühjahr/Sommer 1930, S. 93
Breitkrempige Sommerhüte und farbenfrohe Kappen aus Rosshaar, Strohgeflechten, Hanf und Filz — National Bellas Hess Co., Inc., Frühjahr/Sommer 1930, S. 78
Abendkleider für die Ballsaison 1930/31 aus Georgette, Seidenmusselin und Spitze Modenschau Heft Nr. 216, Dezember 1930, S. 26b
Vier Damenwintermäntel und zwei Pelzmäntelchen für Mädchen aus günstigen eingefärbten Webpelzen — National Bellas Hess Co., Inc., Herbst/Winter 1930-31, S. 22
Damenmäntel mit verbrämten Kragen und Unterärmeln aus Wolf, Kaninchen oder Persianer — National Bellas Hess Co., Inc., Herbst/Winter 1930-31, S. 11

Das Jahr 1930 bringt einen grundlegenden Wandel in der Mode mit sich. Die neue überaus weibliche Modelinie, die sich in den letzten drei Jahren mit immer mehr Energie entwickelt hat, setzt sich in diesem Jahr endgültig durch. Die neue Silhouette, wie sie viele Modezeitschriften und Kataloge bezeichnen, löst die uniforme und sportliche Mode der Vorjahre ab. Individualität ersetzt Uniformität. Die Höherlegung der Gürtellinie, die erneute enge Taillierung der Kleider und die deutlich längeren Rocksäume sind kennzeichnend für die neue Mode, die damit wieder weibliche Linien zur Geltung bringt. Zugleich ist mit dem Modewandel auch ein völlig neuer Stil geboren, der die Damenhaftigkeit der Frau zum Ziel hat und das Ideal des wilden Jungmädchen-Typs und der androgynen, koketten Garçonne der zwanziger Jahre ablöst.

Die neue Modelinie wird begeistert aufgenommen und beendet die Zeit der scheinbar immer gleichförmigen Mode. Die britische Textilfachzeitschrift The Drapers’ Record vom Januar stellt im Artikel „Good-Bye to Uniformity!“ fest:

„Der letzte Herbst konfrontierte uns mit einer ganzen Menge an Änderungen in der Mode […] Die Veränderungen scheinen jedoch Anerkennung gefunden zu haben und die Frühjahrssaison wird eine Weiterentwicklung der besten neuen Merkmale zeigen, […] In diesem Frühjahr wird die Uniformität der Vergangenheit angehören.“1

Rocksaum zu allen Tageszeiten länger

Der Rock des Vormittagskleides und des Kostüms erreicht wieder wadenlänge, der Saum des Nachmittagskleides ist mindestens genauso lang oder noch länger. Unregelmäßig verlängerte, zipfelige Rocksäume oder teilweise mehrlagige Volants tun ihr übriges. Der Rock legt sich besonders eng um die Hüften, um diese betont schmal erscheinen zu lassen. Erst deutlich unterhalb der Hüfte wird der Rock weiter und fülliger und fällt in großzügigen Falten. Beim Abendkleid ist der Rock knöchellang oder reicht bis zum Boden. Die Kleider wirken durch die langen Rocksäume und die hohe Taillierung sehr langgestreckt, gleichzeitig sind sie eng und körpermodellierend gearbeitet.2

Obwohl der längere Rock in allen Modekollektionen, Zeitschriften und Versandhauskatalogen des Frühjahrs angekommen ist und den kurzen, knielangen Rock de facto verdrängt hat, scheint im Februar „die Frage: ‚Kurzer oder langer Rock?‘ [noch] nicht endgültig gelöst“3 zu sein. Befürworter des sportlich modernen kurzen Rocks stehen den Verfechtern des elegant und feminin wirkenden langen Rocks gegenüber. Die Kontroverse erreicht auch die Kinos in Form von Wochenschau Beiträgen. Im März 1930 führt ein Kamerateam der US-amerikanischen Fox Movietone News Gesellschaft mehrere Straßeninterviews durch und fragt ausgesuchte Passanten, ob sie eher kurze oder lange Röcke bevorzugen würden.4

Huftgürtel und Korsett wieder unverzichtbar

Nicht jede Frau verfügt über eine von Natur aus ebenmäßige Körperlinie mit schmaler Hüfte, die zum Tragen der neuen eng taillierten Kleider notwendig ist. Die neue Mode verlangt nach einer schlanken Linie, wodurch Mieder, Korsetts und Hüftgürtel wieder unabdingbar werden. Ein einfacher Schlüpfer mit Gummieinsätzen reicht nicht mehr aus. Auch auf eine wohl geformte Brust kommt es wieder an, die durch einen gut gearbeiteten Büstenhalter gestützt und gehalten wird.5 Allerdings ist es dem Geschmack der Trägerin überlassen, ob Büstenhalter und Hüftgürtel aus einem Stück oder getrennt gearbeitet sind.6

Schlichte Kleider am Vormittag

Die Damenmode im Sommer zeigt „außergewöhnlich starke Stilkontraste“7, laut dem ersten Frühjahrsmodenheft der Zeitschrift Die Dame. Selbst bei den einfachen Kleidern steht die Individualität der Trägerin im Vordergrund. Die eher streng und schlicht gehaltenen Kleider für den Vormittag zeigen zwar weniger verspielte Akzente, dafür lassen komplizierte und abwechslungsreiche Nahtfiguren ein hohes handwerkliches Können erahnen. Tweed, Jersey, Flanell oder Flamenga in dünnsten Ausführungen sind die bevorzugten Stoffe für diese Art von Kleidern und Kostümen.

Um der Mode viel Raum für Abwechslung zu geben und um jegliche Uniformität und übermäßige Sportlichkeit der Kleider zu vermeiden, wird zur Belebung der im Grunde schlichten Grundform des Kleides die ganze Bandbreite der Garnituren verwendet. Volants, Schleifchen, Bänder, kleine Krausen, Falbeln, Rüschen, Jabots, schmale Kragen, Beffchen und große Lätze stehen hoch in der Gunst der aktuellen Mode. Zudem steht auch das Kleid mit Bolerojäckchen erneut hoch im Kurs.8 Vielfältigkeit ist die Devise.

Eine unübersehbare Vorliebe besteht 1930 aber vor allem für kurze Pelerinen, kleine Krägelchen, Capekragen und tief fallende Capes in allen erdenklichen Formen, Arten und Variationen, die sich nicht nur auf Kleider beschränken, sondern auch häufig an Mänteln und Kostümjacken zu finden sind. Die Hüften wirken durch diese Verbreiterung der Schulterpartie ungemein schmal und schlank, was zweifelsohne ein gewollter und beabsichtigter Nebeneffekt ist. Durch die verlängerten Rocksäume wird der Blick vom Bein wieder verstärkt auf den Arm gelenkt, wodurch sich die Popularität von kurzen, halblangen und dreiviertellangen Ärmeln an Kleidern und Jackenkleidern in diesem Frühjahr erklären lässt.9

Zarte Stoffe und sanfte Farben im Sommer

Für die eigentlichen Sommerkleider sind vorwiegend Stoffe wie Shantung, Pikee, Linon, Organdy, Batist und Glasbatist vorgesehen. Die Mode legt besonderen Wert auf Jugendlichkeit, die vorzugsweise durch die sanften, aber kraftvollen Farben der zarten Stoffe zum Ausdruck kommt. Havannabraun, Beige, Gelbtöne wie Zitrone, Banane, Oker, Lindenblütengelb, Blau in Pastelltönen wie Aquamarin oder Marineblau und kräftiges Rot wie Zinnober-, Granat- oder Korallenrot sind die vielen Modefarben des Sommers. Zu diesen Farben gesellen sich Gelbrosatöne, Altrosa, Flamingo-, Wolkenrosa und natürlich Weiß.10

Fast unerschöpflich scheint die Vielfalt der bedruckten Stoffe in diesem Jahr zu sein. Die Bandbreite der Musterrungen reicht von weitverstreuten Blättern und Blüten auf Seiden- und Kreppstoffen bis hin zu großflächigen, zusammenhängenden Blumendekors auf Chiffon in lebendigen, starken Farben.11 Gerade das Sommerkomplet aus buntgemustertem, blumigem Chiffon ist ein Favorit der Sommermode. Eine Neuheit des Sommers ist Satin-Foulard, der noch dünner als Seide ist und durch bunte Musterungen überraschend lebendig wirkt. Zudem werden gepunktete Stoffe viel verwendet.12

Jackenkleid gewinnt wieder an Bedeutung

Das Jackenkleid, oder Kostüm, steht wieder im Vordergrund des modischen Interesses. Es ist der passende Anzug für den ganzen Tag. Einzig und allein die Aufmachung für Vormittag und Nachmittag variiert. Während das Kostüm für den Vormittag recht schlicht ist, weist das Nachmittagskostüm feinere und phantasievollere Formen auf. Doch der herrenmäßige Schnitt der Vorjahre ist auch beim Kostüm endgültig passé.13

Die Kostümjacke ist hüftlang, äußerst knapp geschnitten und wird zumeist offen getragen oder nur auf einem Knopf geschlossen. Der knappe Schnitt bewirkt einen engen Taillenschluss. Oben ist die Jacke dagegen blusig-weich geschnitten. Der Schoß kann entweder eng anliegend und knapp oder recht weit und abstehend gearbeitet sein. Eine Blume im Knopflochrevers nimmt selbst den herberen Modellen die Strenge. Das sommerliche Kostüm ist aus gemusterten Seiden, Halbseiden oder Flamenga, einer Mischung aus Wolle und Kunstseide, das stellvertretend für Tweed genutzt wird. Schwere Chinakreppstoffe in Marineblau, Mahagonibraun oder Schwarz, bedruckt mit Pünktchen oder Stricheln, lassen weichere Kostümformen zu. Auch leichter Wollvoilestoff mit winzigen Webmustern oder in sich kariert sowie Shantung, Leinen und Pikee finden Verwendung.14

Die Bluse rückt durch den knappen Jackenschnitt verstärkt ins Blickfeld. Sie wird in den Rock gesteckt, wodurch die hohe Taille zusätzlich zur Geltung kommt. Feiner Batist, Satinseide, Georgette oder Chiffon sind die bevorzugten Stoffe. Neben der Farbe Weiß sind Blusen in Gelbgrün oder mattem Olivgrün en vogue. Besonders reizvoll wirken Blusen in Rosatönen zu schwarzen oder braunen Kostümen oder eine aquamarinfarbene Bluse zum schwarzen Kostüm. Aber erst großzügige Garnituren wie Säumchen, feine Krausen, Jabots und wellige, breite Kragen, die sich über die Jacke legen, verleihen dem Jackenkleid die besondere Note.15

Strandpyjamas für heiße Tage

Am Strand trägt die Frau von heute einen Strandpyjama, der praktischerweise über dem Badeanzug getragen werden kann. Die Hosenbeine sind so überweit und faltig geschnitten, dass man den Hosenrock für einen normalen Rock halten könnte.16 Zu diesem Strandanzug aus farbenfroher Seide, Kunstseide oder neuerdings Baumwolle trägt die Dame bei Bedarf ein Jäckchen oder einen Bolero. Für die sehr heißen Tage empfiehlt sich Leinen, für die kühlen Sommertage Flanell. Gestreifte und ornamentale Muster herrschen vor.17 Der zum sonnen gedachte Luftbadeanzug, der dem Badeanzug sehr ähnlich ist, ist dagegen rückenfrei und freizügiger geschnitten, obwohl die Bräune mittlerweile nicht mehr so recht zur zarten Damenhaftigkeit passt. Für die Wochenendfahrt aufs Land, Sport, Freizeit oder Gartenarbeit eignen sich kurze Hosen oder Overalls mit weitem Beinkleid, auch wenn Hosen für Damen immer noch Argwohn erzeugen.18

Stirnfreie Kappen und breitkrempige Hüte

Auch die Hutmode zeigt sich höchst individuell und vielfältig. Zum einen sind da die sehr beliebten eng am Kopf anliegenden Kappen, Mützen, Hauben, Baretts und Toques, die die Kopfform klar herausmodellieren und das Gesicht weich und knapp einrahmen. Nach hinten verschoben und einseitig herübergezogen werden diese Kappen getragen. Die Stirn ist frei, seitlich werden Strähnen des welligen Haares preisgegeben. Fliegerhauben, Lotsenhüte, Dreimaster, Holländerhäubchen, Biedermeierhüten, Matrosen- und Baskenmützen oder sogar Mitren und Turbane dienen den Modistinnen als Inspiration und werden höchst verschiedenartig interpretiert und verändert.19 Seide, Jersey, Tweed, Taft, Georgette, Shantung, Atlas oder neuerdings sogar Leinen sind die bevorzugten Stoffe für Hüte. Für Sommerhüte werden diese Stoffe mit Stroh durchzogen oder kombiniert. Exotische Stroharten verarbeitet zu weichen, stoffartigen Qualitäten wie Baku, Bengal, Manila, Panama, Bankok oder Bogota werden für diese kleinen Kappen sowie für die großen, breitkrempigen Hüte verarbeitet.20

Einen anderen Stil zeigen dagegen die großen Hüte mit breiten Krempen. Mal zeigt sich der Hutrand sehr weit und ausladend, dann wieder bei einigen Modellen wellig und mäßig breit. Dünnste Rosshaarspitzen, Panama und leichteste Strohgeflechte werden so verarbeitet, dass das Gesicht unter dem großen, breitkrempigen Hut wie unter einem feinen Schleier verborgen erscheint. Ähnlich beliebt ist der Hut in Schutenform, der sich an der Mode um 1830 orientiert. Seine Krempe rahmt das Gesicht weich und röhrenartig ein. Hinten reicht das Schutenhäubchen bis tief in den Nacken.21

Abendmode in historischen Stilen

Träger jeder neuen Mode ist wie immer das Abendkleid. Aus dem verlängerten Rocksaum der vorigen Saison ist im Frühjahr der bodenlange Rock, aus den bodenlangen Zipfeln ist die Schleppe geworden. Der sehr weite, glockige Rock fällt in tiefen Falten zu Boden, der ringsum die gleiche Länge aufweist.22 Die Taille wird enger und enger und sitzt knapp unter der Brust. Diese neue langgestreckte Linie des Abendkleides verleitet geradezu zu historischen Anleihen. Directoire, Empire und Biedermeier scheinen hier und da in veränderter, abgewandelter Form wiederaufzuleben. Doch vor allem Abendkleider mit langen, glockigen Tuniken, deren Ausschnitte in kunstvoll gelegte Falten drapiert sind und sogar griechische Borten aufweisen, erinnern unweigerlich an antike griechische Gewänder.23 Diese griechisch inspirierten Abendkleider sind aus einfarbigen Chiffonstoffen oder zarten Seidenmusselinen in Weiß oder kräftigen Pastellfarben. Auch Abendkleider aus gemustertem Chiffon, bedrucktem Musselin, Georgette oder Kreppsatin sind oft anzutreffen, da sie durch ihre schöne Linienführung der Abendmode etwas Flatterndes und Beschwingtes verleihen. Tiefgehende, breite Rückenausschnitte, Volants und Capechen sind kennzeichnend.

Besondere Bedeutung kommt dem sehr auf Linie gearbeiteten Spitzenkleid vorwiegend in den Sommermonaten zu, das aus Seidenkreppstoffen hergestellt und mit schönen Spitzeninkrustationen versehen ist. Laute, leuchtende Farben wie Flamingorot, schrilles Zinnober, tiefes Bordeauxrot, kräftiges Blattgrün, dunkles Violett oder Russischgrün geben den Ton bei den Spitzenkleidern an. Aber auch romantisch, gedämpfte Farben für das Spitzenkleid haben ihren festen Platz.24 Kontrastierend zum langestreckten, schlanken Stil des Spitzenkleides oder des griechischen Empirekleides präsentiert sich das Tüllkleid, z. B. im Stil der Kaiserin Eugenie, dessen Rock fächerartig oder mit weiten Volants zusammengesetzt ist und damit, vor allem beim Schreiten und Tanzen, sehr weit auseinandergeht. Jedoch passt diese Art von Kleid nicht zu jedem Frauentyp.25

Zu den zumeist ärmellosen Abendkleidern gehören natürlich lange elegante Handschuhe, die in ihrer Farbgebung mit dem Kleid abgestimmt sein sollten. Auch die Länge der Handschuhe richtet sich wie bei den Kleidern nach der Tageszeit. Während der Handschuh für den Tag die halbe Unterarmlänge erreicht und nachmittags ellenbogenlang ist, bedeckt der Abendhandschuh fast den ganzen Arm, so dass nur noch ein wenig des Arms zu sehen ist, was jedoch besonders reizvoll wirkt.26

Jäckchen am Abend

Für den Abend setzt sich das kurze Jäckchen aus Samt, Spitze, Lamé oder Brokat mit reichlichem Fuchsbesatz gegenüber dem langen Abendmantel durch. Es liegt an der Taille eng an, besitzt oft Schluppen, ein Cape, einen ein- oder mehrlagigen Kutscherkragen oder ein abstehendes, manchmal welliges Schößchen. Capes aus Velours-Chiffon, Pelerinen aus Pelz oder vollständig aus Hermelin gearbeitete Jäckchen sind besonders modische, wärmende Oberteile für kühle Abende. Dazu gehören die langen Handschuhe.27

Pelz in der Herbstmode unverzichtbar

Es gibt kaum einen Herbstmantel aus feinem Tuch oder Wolle, der auf reiche Pelzverbrämung verzichtet. Schon im Frühjahr ist der Pelzbesatz unverzichtbar gewesen und war sogar an Kostümjacken zu sehen. Astrachan, Karakul, Persianer, Breitschwanz, Hermelin, Broadtail, Bieber, Nutria und Fuchs sind die Pelze der Wintermode, die zum Besatz der Kragen an Mänteln, Manschetten, Stulpen und überdimensionalen Schalkragen reichlich verwendet werden. Zudem dienen sie auch der Herstellung von Krawatten, Capes, Pelerinen, Stolen, kleinen Muffs und sogar Kappen. Auch die Pelzmäntel haben sich der neuen Mode angepasst, indem sie bedeutend länger geworden sind und die geschweifte Linie zeigen. Gerade sie präsentieren überschwänglich voluminöse Kragen.28

Wirtschaftskrise hinterlässt erste Spuren

Die heraufziehende Weltwirtschaftskrise ist im Angebot der Versandhauskataloge des Frühjahrs kaum spürbar und spielt auch in den Modemagazinen und Frauenzeitschriften des ersten Halbjahres kaum eine Rolle, die wie in den letzten Jahren überfüllt sind mit Anzeigenwerbung. Ähnlich sieht es in vielen amerikanischen Frühjahr und Sommerkatalogen aus, die den Eindruck einer ungebrochenen Prosperität vermitteln. Hier wird die neue Mode überschwänglich mit dem Zusatz „everything NEW“ präsentiert, obwohl ein Teil der neuen Kleider scheinbar hastig der neuen Mode angepasst wurde. Erst im Verlauf des Jahres 1930 verschlechtert sich die Konjunktur so sehr, dass der Versandhandel mit entsprechenden Maßnahmen handeln muss. Im Vorwort des Herbst und Winter Katalogs des US Versandhausmarktführers Sears, Roebuck and Co. heißt es prophetisch:

„Sparsamkeit ist der Geist von heute. Rücksichtsloses Geldausgeben gehört der Vergangenheit an.“29


Fußnoten

1 Das englische Originalzitat lautet: „Last autumn found us confronted with a good many changes in fashion, […] The changes, however, seem to have been appreciated, and the spring season will show a development of the best of the features introduced, […] This spring, uniformity will be found to have passed“. O. V., Good-Bye to Uniformity!, in: The Drapers’ Record, 25. Januar 1930, S. 170-173, hier S. 170.

2 Vgl. Kaul, Stephanie; Thal, Johanna, Mode-Notizen, in: Die Dame, Nr. 12 (57), Erstes Märzheft 1930, S. 64-72, hier S. 64 und 67.

3 O. V., Interessante Anfänge der Frühjahrsmode, in: Die Wienerin, Nr. 116 (10), Februar 1930, S. 1.

4 Video-Links zu diesem und einem weiteren Video: Inquiring cameraman--outtakes (Fox Movietone News Story 5-548), Fox Movietone News Collection. Moving Image Research Collections. University of South Carolina, in: https://digital.tcl.sc.edu/digital/collection/MVTN/id/6798/rec/72 [letzter Abruf: 11. Mai 2022]; Man-on-the-street interviews on fashion--outtakes (Fox Movietone News Story 4-830), ebda., in: https://digital.tcl.sc.edu/digital/collection/MVTN/id/1604/rec/1 [letzter Aufruf: 11. Mai 2022].

5 Vgl. Anita, Daniel, Ein verschämter Begriff – der Büstenhalter, in: Die Dame, Nr. 20 (57), Zweites Juniheft 1930, S. 54-55.

6 Vgl. Kaul, Stephanie, Neue Mieder, in: Die Dame, Nr. 11 (57), Zweites Februarheft 1930, S. 44; o. V., Die neue Linie, in: Die Dame, Nr. 1 (58), Erstes Oktoberheft 1930, S. 40.

7 O. V., Sommer-Mode 1930, in: Die Dame, Nr. 12 (57), Erstes Märzheft 1930, S. 16.

8 Vgl. o. V., Boleros, in: Die Dame, Nr. 15 (57), Zweites Aprilheft 1930, S. 22-23.

9 Vgl. Kaul, Stephanie, Beschwingte Sommermode, in: Die Dame, Nr. 13 (57), Zweites Märzheft 1930, S. 16-17 u. 79-80, hier S. 17 u. 79.

10 Vgl. o. V., Sommer-Mode, S. 16, wie Anm. 7.

11 Vgl. o. V., Gemusterte Stoffe für jede Tageszeit, in: Die Dame, Nr. 12 (57), Erstes Märzheft 1930, S. 26.

12 Vgl. Kaul, Stephanie, Sommer-Kleider in Pastellfarben, in: Die Dame, Nr. 16 (57), Erstes Maiheft 1930, S. 22-23.

13 Vgl. Thal, Johanna, Der neue Stil des Jacken Kleides. Die Jacken sind knapp, offen, die reich garnierte Bluse beherrscht den Ausschnitt, in: Die Dame, Nr. 14 (57), Erstes Aprilheft 1930, S. 22-23, 64 und 66.

14 Vgl. Ebda., S. 64 und 66; Thal, Johanna, Der Straßen-Anzug im Sommer, in: Die Dame, Nr. 16 (57), Erstes Maiheft 1930, S. 24-25; dies., Frühjahrs-Kostüme für die Straße, in: Die Dame, Nr. 11 (57), Zweites Februarheft 1930, S. 28-29.

15 Vgl. Thal, Johanna, Die neuen dünnen Stoffe, in: Die Dame, Nr. 13 (57), Zweites Märzheft 1930, S. 75-78.

16 Vgl. dies., Der Hosenrock für den Strand, in: Die Dame, Nr. 20 (57), Zweites Juniheft 1930, S. 58-59.

17 Vgl. dies., Neue Ideen für Strandanzüge, in: Die Dame, Nr. 18 (57), Drittes Maiheft 1930, S. 22-23; o. V., Malerische Strandanzüge, in: Die Dame, Nr. 19 (57), Erstes Juniheft 1930, S. 26-27.

18 Vgl. Kaul, Stephanie, Die Wochenend-Fahrt aufs Land, in: Die Dame, Nr. 18 (57), Drittes Maiheft 1930, S. 26-27.

19 Vgl. dies., Schwarze Kappen mit heller Garnitur, in: Die Dame, Nr. 14 (57), Erstes Aprilheft 1930, S. 27 u. 67-68, hier S. 67.

20 Vgl. dies.; Thal, Johanna, Mode-Notizen, in: Die Dame, Nr. 12 (57), Erstes Märzheft 1930, S. 64-72, hier S. 67-68.

21 Vgl. Kaul, Stephanie, Spätsommerhüte, in: Die Dame, Nr. 21 (57), Erstes Juliheft 1930, S. 22-23.

22 Vgl. Thal, Johanna, Das große Abendkleid. Die Entwicklung eines neuen Stils, in: Die Dame, Nr. 8 (57), Erstes Januarheft 1930, S. 22.

23 Vgl. dies., Farbige Spitzenkleider, griechischer Stil, in: Die Dame, Nr. 16 (57), Erstes Maiheft 1930, S. 26-27; Kaul, Stephanie, Beschwingte Sommermode, in: Die Dame, Nr. 13 (57), Zweites Märzheft 1930, S. 16-17 u. 79-80, hier S. 79-80.

24 Vgl. ebda., S. 79-80.

25 Vgl. Thal, Johanna, Der Stil der Königin Luise, in: Die Dame, Nr. 26 (57), Zweites Septemberheft 1930, S. 24-25, in diesem Zusammenhang sind auch die Seiten 28-29 im selben Heft Nr. 26 von Interesse; dies., ohne Titel, in: Die Dame, Nr. 1 (58), Erstes Oktoberheft 1930, S. 22-23.

26 Vgl. Kaul, Stephanie, Handschuh, in: Die Dame, Nr. 16 (57), Erstes Maiheft 1930, S. 63.

27 Vgl. Thal, Johanna, Variationen der neuen Abendjacken, in: Die Dame, Nr. 19 (57), Erstes Juniheft 1930, S. 25; dies., Das Abendkleid und seine Jacke, in: Die Dame, Nr. 21 (57), Erstes Juliheft 1930, S. 28-29.

28 Vgl. o. V., Jacken und Mäntel pelzbesetzt, in: Die Dame, Nr. 23 (57), Erstes Augustheft 1930, S. 26; o. V., Tips für die Winter-Mode, in: Die Dame, Nr. 24 (57), Zweites Augustheft 1930, S. 22-23; Thal, Johanna, Charakter der Wintermode, in: Die Dame, Nr. 25 (57), Erstes Septemberheft 1930, S. 49-52; dies., Pelze und Pelzgarnituren, in: Die Dame, Nr. 26 (57), Zweites Septemberheft 1930, S. 57-59.

29 Das englische Originalzitat lautet „Thrift is the spirit of today. Reckless spending is a thing of the past.“ Sears, Roebuck & Co., Katalog Nr. 161, Chicago, Herbst/Winter 1930-31, erste Umschlaginnenseite.

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