Mode 1931

Rock und Jacke aus dunkelblauem Jersey mit einer Bluse aus rosa Satinkrepp — Die Dame Nr. 8 (58), Erstes Januarheft 1931, S. 22. Foto: Becker & Maaß, Berlin
Trotz Wirtschaftskrise wird auf reichen Pelzbesatz an Mänteln nicht verzichtet National Bellas Hess Inc. Herbst/Winter 1931, S. 4
Vornehme Abendkleider und Abendjacke aus Crêpe bilitis, Crêpe Satin, Georgette, Samt und Crêpe de Chine. Tunikakleid links. Modelle mit Rüschen, Volants und Schleifen Modenschau Heft Nr. 227, November 1931, S. 26a
Zwei Ensembles für das Frühjahr aus olivgrünem Crêpe de Chine und leichtem Wollrips sowie ein Jackenkleid aus kariertem Wollstoff — Modenschau, Nr. 219 (17), März 1931, S. 26c
Stirnfreie Damenhüte aus Hanfstroh und Pyroxylin-Gewebe, garniert mit Spitze, Perlnadeln, Ripsbändern und Stoffblumen Chicago Mail Order Co. Frühjahr/Sommer 1931, S. 11
Nachmittagskleider aus Wollstoffen, Crêpe Romain und Samt mit mehr als wadenlangen Röcken. Drei Bolerokleider rechts Modenschau Heft Nr. 227, November 1931, S. 24b

In der Modesaison des Jahres 1931 verfestigt sich der weibliche und damenhafte Trend des vorigen Jahres. Man hat sich wieder gewöhnt an die hohe Taillierung, die längeren Röcke und das Tragen von Korsetts zur Modellierung der Figur. So ist es kaum verwunderlich, dass die Taille immer enger getragen wird und noch weiter nach oben rutscht.

Anklänge an Vergangenheit

Die aktuelle Mode wirkt wie eine Reminiszenz an die Vergangenheit und greift Tendenzen der Empiremode und der Mode der Jahrhundertwende wieder auf und passt sie den Bedürfnissen der Zeit und der modernen Frau an. Gerade bei den Gesellschafts– und eleganten Promenadenkleidern ist dieser der Hang zum Schick der Vergangenheit unverwechselbar. Spitzenstoffe, Volants oder Rüschen an Schultern, Schoß oder Saum sind gerade bei Promenaden- und Abendkleidern beliebt und lassen die Mode der Jahrhundertwende teilweise wiederaufleben.

Abendmode 1931

Abendkleider sind meist ärmellos, während der Rückenausschnitt nicht mehr ganz so tiefgehend ist wie im Vorjahr. Das Dekolleté ist vorne rund oder V-förmig ausgeschnitten und mäßig tief. Die hohen Taillen werden mit Kunstblumen, Raffungen, dünnen Gürteln oder Bändern, welche im Rücken oder an der Seite in einer Schleife enden und in einer schärpenartigen Verlängerung gen Boden fallen, auffällig aber dezent betont. Wasserfallartige Garnierungen, Plisseestoffe und Volants am langen Rock geben den eleganten Abendtoiletten eine sehr verspielte und weibliche aber auch äußerst kultivierte Note.

Abendkleider werden mit Bolerojäckchen, einer Jacke mit Pelzbesatz oft aus Pelzimitat oder - wer es sich noch leisten kann - echtem Pelz getragen. Auch die fast bodenlangen Abendmäntel verzichten nicht auf Pelzbesatz am Kragen. Die Mäntel selbst werden aus Samt oder Wollsamt gefertigt und besitzen zumeist nur einen Ärmel oder sind ärmellos.

Frisuren der frühen 30er Jahre

Anfang der 30er werden die Haare wieder länger, etwa in Kinn länge, getragen. Wasserwellen erreichen den Höhepunkt ihrer Beliebtheit. Die eng am Kopf ondulierten Wellen umschmeicheln das Gesicht sanft. Die Schminke wird jetzt dezenter getragen; der dunkle Lidschatten wird durch hellere Töne ersetzt. Augenbrauen werden zu einer schmalen Linie gezupft oder gar vollständig entfernt und mit einem Augenbrauenstift dünn nachgemalt und fast bist zu den Schläfen verlängert.

Kleine Hüte lösen Kappen ab

Die Hüte werden immer kleiner; im Frühjahr sieht man immer öfter Modelle, die nicht nur die Stirn, sondern nun auch den Haaransatz freilegen, so dass Haarlocken unter dem Hut zum Vorschein kommen.

„Es ist schon lange nicht dagewesen, daß eine Mode sich plötzlich ändert, wie gegenwärtig die Hutmode. Das ist ein Beweis dafür, daß man sich die Kappen gründlich übergesehen hat. […] Und schon sehen wir eine Unmenge Variationen der neuen in die Stirn gesetzten Hütchen, und sie scheinen uns so selbstverständlich, so vertraut, weil sie damenhaft, pikant und kleidsam sind“1,

urteilt die Modejournalistin Johanna Thal in der Zeitschrift Die Dame. Breite Hutkrempen werden umgeschlagen oder sie fallen einseitig ins Gesicht. Vor allem elegante Promenadenkleider oder Strandpyjamas werden mit sehr breitkrempigen Hüten getragen, da diese einen gewissen Sonnenschutz bieten. Lange Stulpenhandschuhe und kleine handliche Handtaschen komplettieren den sanften, damenhaften Look für die Promenade.

Kostüme immer noch en vogue

In der Tagesmode ist das Kostüm ein unverzichtbarer Bestandteil der Garderobe, welches laut der Zeitschrift Modenschau „noch immer als Schrittmacher der Herbstmode gilt.“2 Weiter heißt es:

„Sportliche Formen stehen ebenso in der Gunst wie das Kostüm im Genre Tailleur, dessen Rock an Weite zugenommen hat. Bei der Vorliebe für abstechende Jacken ist die Zusammenstellung von zweierlei Material keine Seltenheit. […] Etwas längere Jackenformen, bis zu Dreiviertellänge, sind für vollschlanke Figuren bestimmt.“3

Rocksäume immer länger

Trotz der Weltwirtschaftskrise werden die Rocksäume immer länger. Der Tiefpunkt der Rocksäume wird in der Tagesmode im Herbst 1931 erreicht: die Röcke enden nun wenige Zentimeter über den Knöcheln. So steigt der Stoffverbrauch zum Schneidern der Kleider erheblich. Während für die Knie kurzen Hängerkleider der späten 20er selten viel mehr als 3m² Stoff benötigt wurden, werden für die aktuellen Tageskleider bis zu 4m² Meter Stoff und für Abendkleider auch schon mal über 6m² Stoff benötigt. Es scheint geradezu verwunderlich, dass in Zeiten wirtschaftlicher Sparzwänge die Modeentwicklung nicht zum Stillstand kommt, sondern sogar noch aufwändiger wird.

Weltwirtschaftkrise weitet sich dramatisch aus

Steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne lassen das Haushaltsbudget gerade für Neuanschaffungen in den Bereichen Kleidung und Textilien deutlich schrumpfen. Trotzdem versucht man so gut es geht mit der aktuellen Mode Schritt zu halten, indem man alte Kleidung ausbessert, aufarbeitet oder umschneidert. Das Selbstschneidern wird zur Notwendigkeit - in Europa, wie in Amerika. Teure Stoffe wie Seide und Georgette werden durch das günstige Rayon oder auch Baumwolle ersetzt. Baumwolle wird sogar für Abendkleider genutzt.

Die amerikanischen Versandhausketten müssen auf sinkende Nachfrage und auf das geschrumpfte Einkommen ihrer Kundinnen Rücksicht nehmen. „Thrift“ (dt.: „Sparsamkeit“) wird zum Schlagwort des Jahres in den Katalogen der amerikanischen Versandhäuser, die aber weiterhin mit niedrigeren Preisen und höchster Qualität werben. Trotzdem müssen Versandhäuser und Einzelhandel mit starken Absatzrückgängen fertig werden, die sie versuchen mit radikalen Preissenkungen zu kompensieren, die wiederum durch Einsparungen bei Löhnen und Gehältern gegenfinanziert werden müssen. Damit setzt sich eine verheerende Deflationsspirale in Gang die die Depression noch weiter verstärkt.



Fußnoten

1 Thal, Johanna, Die neue Hut-Silhouette, in: Die Dame, Nr. 21 (58), Erstes Juliheft 1931, S. 22.

2 Rosin, Käthe, Übergangsmoden, in: Modenschau, Nr. 224 (17), August 1931, S. 17.

3 Ebda.

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