Mode 1922

Kleid mit Bootsausschnitt und geschlitzten, lose geschnittenen Ärmeln der Pariser Designerin Madame Merrick Chicago Mail Order Co. Frühjahr/Sommer 1922, S. 2C
Sommerkleider aus Gingham und anderen Wollstoffen Montgomery Ward & Co. Frühjahr/Sommer 1922
Pullover (oben) und Damenblusen mit weiten Kimonoärmeln und geschlitzten Ärmeln mit Stickereien und Spitzen Philipsborns Herbst/Winter 1922, S. 150
Frühjahrsmäntel und Jacken, die teilweise auch als Umhänge getragen werden können Montgomery Ward & Co. Frühjahr/Sommer 1922, S. 34

Die Rocksäume sind 1922 so kurz wie nie zuvor. Bis zum Sommer des Jahres werden die Röcke nochmals kürzer und enden nun auf der Wade, wobei die Rocksäume nicht kategorisch gleich lang sind für alle Frauen, sondern z.B. für das Alter der Trägerin unterschiedlich ausfallen.

Für Mädchen enden die Röckchen schon am Knie. Auch für junge Damen bis 20 sind die Röcke schon fast Knie kurz. Für die erwachsene Frau sind die Röcke etwa Wadenlang. Für stärker gebaute Frauen, Damen gehobenen Alters oder mit konservativem Geschmack sind die Röcke länger gehalten und bedecken die Waden deutlich.

Tiefe Gürtellinie und weiter Schnitt

Die Taille verschwindet aus der Silhouette der aktuellen Mode, welche die formlose Linie bevorzugt. Die Gürtellinie verschiebt sich immer weiter nach unten und sitzt nun unterhalb der natürlichen Taille. Durch schmale, dunkel abstechende Ledergürtel oder Bänder, welche aus demselben Stoff und derselben Farbe des Kleides gefertigt sind, wird die Gürtellinie an Kleidern lose drapiert.

Der weite und lose Schnitt führt zu einer sackartigen Silhouette der Kleider. Auch das Tragen von Unterröcken unter dem eigentlichen Rock betont die formlose Weite dieser Silhouette noch zusätzlich.

Besondere Aufmerksamkeit wird den Ärmeln der Kleider gewidmet, die in diesem Jahr besonders luftig geschnitten sind und an weite zulegen. Gerade die sogenannten Fledermausärmel mit geradezu übertriebener Unterärmelweite sind an Kleidern und Blusen sehr beliebt. Mäntel und Kostümjacken werden gerne mit überlappenden und geschlitzten Flügelärmeln belebt. Für die Übergangsmode sind lose Umhänge anstelle von Mänteln eine gern genutzte Alternative.

Herbstmode offenbart neue Linien

Im Herbst 1922 verändert sich die Mode drastisch. Während der Rocksaum wieder bis zu den Knöcheln verlängert wird, verschlankt sich die Silhouette und damit die Gestalt der Frau, „die wieder im Futteral zu stecken scheint“1, kommentiert die Modejournalistin Johanna Thal in Die Dame. Weiter heißt es:

„Die Hülle schmiegt sich wieder enger an und gibt der Figur dabei etwas Langgestrecktes, Schlangenhaftes, das natürlich nur beim schlanken, ebenmäßig gewachsenen Körper den rechten Ausdruck gewinnt.“2

Während die einfacheren Tageskleider überaus schmucklos, geradezu wie Kittel gehalten sind, zeigen die anderen der neuen Gesellschaftskleider vielfältige Raffungen und Drapierungen, die hauptsächlich an der Vorderseite des Rockes vorzufinden sind und durchaus die weiblichen Körperformen zur Geltung bringen.

Korsetts, Hüfthalter und Büstiers

Überhaupt verlangt die derzeitige Silhouette nicht unbedingt enge Korsetts, jedoch werden sie weiterhin getragen und nur wenige verzichten gänzlich auf sie. Erstmals kommen nun Büstenhalter auf den Markt die meist mit einem Hüfthalter mit elastischen Einsätzen kombiniert werden und für mehr Bewegungsfreiheit sorgen sollen. Passende Korsetts und Hüfthalter werden vorrangig aus Coutil, aber auch aus Jacquard, Brokat und anderen robusten Baumwollstoffen gefertigt, die für jede Figur angeboten werden. Besonderer Wert wird auf einen flachen Bauch und eine flache Brust gelegt. Bandagen und sogenannte bust confiners sollen die Brust abflachen und in Form bringen, um dem neuen androgynen Ideal zu entsprechen.

Toques, Turbane und Dreispitze beliebt

Die Hüte zeichnen sich durch eine tiefe Krone, die zur Unterbringung buschiger Frisuren dient, aus und werden oft geschmückt mit ausladenden Federarrangements oder Blumenverzierungen. Die Hutkrempen sind eher kurz und werden öfters an die Krone angelegt oder nach oben gebogen. Immer noch beliebt wie in den Vorjahren sind die ausgefallenen Zwei- oder Dreispitze, Toques, Baretts, Turbane oder ähnlich auffällige Kopfbedeckungen, welche oft reich mit großen Bändern, die zu Schleifen gebunden werden, verziert werden. Die Hüte werden immer bis zu den Augenbrauen tief in das Gesicht gezogen.



Fußnoten

1 Thal, Johanna, Mode. Die neue Linie, in: Die Dame, Nr. 1 (50), Mitte Oktober 1922, S. 9-11 u. 15, hier S. 9.

2 Ebda.

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